Storchennest auf dem Isnyer Rathausdach

dpa Artikel Januar 2010 Drucken E-Mail
Presseberichte
  
Montag, den 01. Februar 2010 um 18:26 Uhr

folgender Bericht wurde von der dpa verfasst und ist in verschiedenen Zeitungen (z.t. nur Auszüge) erschienen.
Uns sind Erscheinungen in folgenden Magazinen bekannt:
* Schwäbische Zeitung vom 27.01.2010 'Wir im Süden'
* Hamburger Abendblatt
* die Welt
* N-TV

Allgäu statt Afrika: Zahl der Winterstörche nimmt zu
Von Birgit Klimke, dpa

Isny - «Romeo» hat es geschafft. Der 20 Jahre alte
Storch aus Isny im Allgäu hat seine langjährige Partnerin davon
überzeugt, dass es auch im Winter im Allgäu am schönsten ist. «Sobald
es kalt wurde, ist Julia in den ersten Jahren immer in den Süden
gezogen. Sie kam dann jedes Jahr etwas früher zurück. Jetzt bleibt
sie den ganzen Winter an Romeos Seite», sagt Jürgen Tischer vom
Storchennestteam Isny, das sich um die Tiere kümmert. Immer mehr
Weißstörche überwintern in Deutschland und ziehen nicht in wärmere
Gefilde. Experten sehen darin eine Folge des Klimawandels.

Seit dem Jahr 2000 lebt die Stadt Isny in Baden-Württemberg mit
dem Storchenpaar. Die Vögel haben sich den 34 Meter hohen Kamin auf
dem Rathaus als gemeinsames Zuhause ausgesucht. Bereits fünfmal haben
«Romeo» und «Julia» in ihrem Horst Nachwuchs aufgezogen. Während der
Aufzuchtzeit in den Monaten Mai und Juni haben Tischer und sein Team
stets zugefüttert. «In dieser Zeit sind bei uns die Streuwiesen nicht
gemäht. Dadurch finden die Störche kaum Futter.»

Nach dem ersten Schnitt sind die Vögel bei der Futtersuche wieder
auf sich gestellt. Regenwürmer, Insekten und Feldmäuse finden sich
den Sommer über zuhauf in den Wiesen. «Auch im Herbst wird bewusst
nicht zugefüttert, um die Störche zum Ziehen zu bewegen», sagt
Tischer. Schließlich handele es sich um Wildtiere, deren natürlicher
Trieb erhalten bleiben soll. Die zwölf in Isny aufgewachsenen
Jungstörche seien bisher ausnahmslos im Spätsommer in den Süden
gezogen. Bei «Romeo», einem ausgewilderten Aufzuchtstorch, habe der
Zugtrieb schon vor einigen Jahren nachgelassen. Jetzt wurde «Julia»,
ein Wildstorch aus der Schweiz, von seinem Verhalten beeinflusst.

Störche sind gegen Kälte resistent, sagt Tischer. Sobald dem
Isnyer Storchenpaar Wind und Schnee auf dem Rathaus zu ungemütlich
werden, suche es sich einen geschützten Platz. «Bei Temperaturen um
minus 15 Grad sieht man die Vögel an Bachläufen sitzen. Das Wasser
ist dann wärmer als die Luft.» Problematisch werde es erst, wenn die
Tiere längere Zeit keine Nahrung finden. Tischer und seine Kollegen
füttern daher wieder zu, sobald eine geschlossene Schneedecke liegt
und der Boden dauerhaft gefroren ist. Ausgewählte Fischreste und
Eintagsküken werden morgens auf einer Wiese am Stadtrand ausgelegt.

Immer mehr Störche überwintern in Süddeutschland. Nach Auskunft
von Oda Wieding, Weißstorch-Expertin beim Landesbund für Vogelschutz
(LBV) in Hilpoltstein, haben in diesem Winter allein in Schwaben mehr
als 30 Weißstörche auf den Flug in den Süden verzichtet. Das
Verhalten der Tiere werde von verschiedenen Einflüssen gelenkt. So
würden häufig ehemalige Zuchtstörche ihre Partner dazu animieren,
hier zu bleiben. Sie vertrauen auf von Menschenhand angelegte
Futterstellen, sagt Wieding. «Wir vermuten außerdem, dass die
milderen Winter eine Rolle spielen.»

Weißstörche ziehen normalerweise wegen der Nahrungsknappheit zum
Überwintern bis nach Afrika. Solange sie hier genug Futter finden,
sei dies aber nicht nötig. Gefahr durch die Kälte bestehe für sie
selbst bei Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt nicht, sagt
Wieding. «Störche können Wärme viel besser speichern als kleinere
Vogelarten.» Wenn Storchenpaare früh brüten, könnten Schnee und Kälte
allerdings für den Nachwuchs gefährlich werden. «Die Jungtiere
brauchen es warm und trocken im Nest. Wenn sie im Sumpf sitzen,
kühlen sie aus und erfrieren», sagt Tischer. Damit im Horst auf dem
Isnyer Rathaus das Wasser ablaufen kann, wird er jeden Herbst von den
Storchenfreunden gereinigt. «Wir holen Schlamm und Plastikreste raus,
die die Störche dort mit verbauen.»

«Romeo» und «Julia», deren Namen bei einem Wettbewerb ermittelt
wurden, haben inzwischen über das Allgäu hinaus Berühmtheit erlangt.
Inzwischen gibt es eine bundesweite Fangemeinde der Isnyer Störche.
Auf seiner Internetseite registriere das Storchennestteam an manchen
Tagen bis zu 2000 Besucher. Vor allem während der Aufzucht der
Jungtiere sei das Interesse an den Aufnahmen von der am Rathaus
installierten Internet-Kamera (Webcam) groß. «Es gibt sogar Leute,
die wegen der Störche hier Urlaub machen.»

(Internet: www.isny.tv)

Aktualisiert ( Montag, den 01. Februar 2010 um 18:34 Uhr )